KLEIST-ROUTE FRANKFURT - SŁUBICE
Auf einer grenzüberschreitenden Spurensuche lässt sich die Doppelstadt Frankfurt-Słubice ganz entspannt entdecken.
Sie hatten viel gemeinsam: Sie entstammten einer alten pommerschen Adelsfamilie, waren Dichter und dienten in der preußischen Armee. Der eine wurde in Frankfurt an der Oder geboren, der andere starb hier. Die Rede ist von Ewald Christian von Kleist (1715-1759) und seinem ungleich berühmteren Großneffen Heinrich von Kleist (1777-1811). Die Stadt Frankfurt hat ihr Leben bestimmt – und umgekehrt haben sie dies- und jenseits der Oder ihre Spuren hinterlassen, die das Stadtbild bis heute prägen. Die etwa 20 km lange Kleist-Route führt an neun historische Orte, die bequem zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar sind. Auf dem Weg: zahlreiche Orte und Lokale, die zum Rasten, Umschauen, Flanieren und Entdecken einladen.
Startpunkt ist das Kleist-Museum in der Faberstraße. Es befindet sich in der ehemaligen Garnisonschule, einer Freischule für Kinder einfacher Soldaten. Der spätbarocke Bau wurde 1777, im Geburtsjahr Heinrich von Kleists, errichtet. Für die Kosten des Baues in Höhe von 3.000 Talern kam der Frankfurter Regimentskommandeur Leopold von Braunschweig auf. Er war der militärische Vorgesetzte von Joachim Friedrich von Kleist, dem Vater Heinrich von Kleists, und Taufpate drei seiner insgesamt sieben Kinder. Das 1969 eröffnete Kleist-Museum gilt als Deutschlands schönstes Literaturmuseum. Im östlich gelegenen Gartenbereich befinden sich moderne Plastiken zu Werken des Dichters, außerdem eine Kopie des Grabsteins von Kleists und des Grabkreuzes seiner Halbschwester Ulrike (1774 – 1849), der er sehr nahe stand.
Über die Bischofstraße in Richtung Westen geht es links in die Große Oderstraße. Das Geburtshaus Heinrich von Kleists befand sich auf dem Grundstück Nr. 26. Im Nachbarhaus lebte seit 1799 der Generalmajor August Wilhelm Hartmann von Zenge, mit dessen Tochter Wilhelmine Heinrich von Kleist zwei Jahre verlobt war. Beide Häuser wurden im 2. Weltkrieg zerstört; alte Ansichten des Kleist-Hauses zeigen noch den spätmittelalterlichen Backsteingiebel mit spitzbogigen Nischen.
Direkt gegenüber liegt die mittelalterliche Marienkirche, die größte Hallenkriche der norddeutschen Backsteingotik. 1945 ausgebrannt und schrittweise wieder aufgebaut, kehrten die drei Chorfenster mit kostbaren Glasmalereien erst vor wenigen Jahren aus Russland zurück. Eines davon, das Endzeitfenster, inspirierte Kleist vermutlich bei seinem Drama „Das Käthchen von Heilbronn“. An der Ostseite steht ein Kleist-Denkmal, das 1977 anlässlich seines 200. Geburtstages errichtet wurde. Vom Turm der Marienkirche lässt sich eine fantastische Aussicht auf Frankfurt, Słubice und die Oderlandschaft genießen.
Etwas abseits in der Gubener Vorstadt liegt der Park bei St. Gertraud. Beiden Kleists wurde hier ein Denkmal errichtet: Der fast fünf Meter hohe Obelisk ist ein Grabdenkmal für Ewald von Kleist – es war das erste Denkmal Frankfurts und das erste öffentliche Dichterdenkmal Deutschlands. Die gegenüberliegende Bronzestatue eines lorbeerumkränzten Jünglings ist seinem Neffen Heinrich gewidmet. Über die Linden- und Heilbronner Straße erreicht man den Kleistpark im Westen der Stadt. Hier befanden sich einst die Gräber von Ulrike von Kleist und Christian Ernst Martini, des Hauslehrers Heinrich von Kleists. Nur wenige Grabmonumenten sind jedoch erhalten: Zur 700-Jahrfeier der Stadt 1953 wurde der ehemalige Friedhof zu einem städtischen Park umgestaltet, der in den 70er Jahren nochmals verkleinert wurde.
Die nächste Station ist in nordöstlicher Richtung die Konzerthalle Carl Philipp Emanuel Bach. In der einstigen Kloster- und Garnisonskirche wurde Heinrich von Kleist 1777 getauft und 1792 konfirmiert. Zur Oderbrücke, die ins gegenüberliegende Słubice führt, ist es nun nicht mehr weit. In der alten Frankfurter Dammvorstadt am östlichen Ufer befanden sich seit dem Mittelalter Wiesen und Gärten, die im Besitz von Frankfurter Familien waren. Dazu gehörte auch die Familie von Kleist.
Vorbei am Collegium Polonicum geht es auf der ul. 1 Maja und ul. Sportowa zum Kleist-Turm, der an das dramatische Lebensende Ewald von Kleists erinnerte: Bei Kunersdorf (heute Kunowice auf dem Gebiet der Stadt Słubice) trafen am 11. und 12. August 1759 die verbündeten russischen und österreichischen Truppen auf die preußische Armee. Die Schlacht sollte Friedrich II. die schwerste Niederlage im Siebenjährigen Krieg bescheren. Ewald von Kleist wurde schwer verwundet, blieb ohnmächtig über Nacht auf dem Schlachtfeld liegen, wurde ausgeplündert und erst am nächsten Tag nach Frankfurt gebracht. Der behandelnde Arzt wurde in dem Moment erschossen, als er die Wunden Kleists mit Spiritus säuberte. Nach langem Todeskampf starb Kleist am 24. August. Ein eher unscheinbarer Findling markiert heute den Ort, an dem Kleist verwundet aufgefunden wurde. Der 21 m hohe Kleist-Turm war ein beliebtes Ausflugsziel, bevor er im Februar 1945 von der Wehrmacht gesprengt wurde. Es ist geplant, den Turm wieder originalgetreu aufzubauen.
Über die ul. Rzepińska und Narutowicza geht es in einem großen Bogen wieder westwärts zum plac Wolności. Seit 2008 steht hier die Plastik „Käthchen von Heilbronn“ des Künstlers Mirosław Górski. Die Figur des 15jährigen Käthchens gilt als Verkörperung von weiblicher Schönheit, Tugend und Hingabe. Wer möchte, spaziert oder radelt von hier aus weiter durch die restaurierte Słubicer Innenstadt und genießt den reizvollen Blick auf die Silhouette Frankfurts am anderen Ufer.
Fotos: © Kleist-Museum; A. Savin/WikiCommons
Deutsch-Polnische Tourist-Information am Marktplatz
Bolfrashaus, Große Oderstr. 29, 15230 Frankfurt (Oder)
Tel. 03356 100800
info(at)tourismus-ffo.de
www.tourismus-ffo.de
Kostenlose Stadtführungen von Mai bis September, immer samstags um 11 Uhr.
Kleist-Museum
Faberstraße 6-7, 15230 Frankfurt (Oder)
Tel. 0335 3872210
info(at)kleist-museum.de
www.kleist-museum.de
Kleist-Forum
Platz der Einheit 1, 15230 Frankfurt (Oder)
Tel. 0335 40100
www.muv-ffo.de
Anreise
RB36 oder RB60 bis Frankfurt (Oder)
Auf der polnischen Seite ist die Kleist-Route nicht ausgeschildert. Ein Flyer zur Kleist-Route ist unter
www.frankfurt-oder.de verfügbar.
Stündlich mit der RB36 ab Königs Wusterhausen bis Frankfurt (Oder).
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Dies ist ein Tagestourentipp aus unserem Fahrgastmagazin NEB-Express - zu finden immer in der Heftmitte auf den Seiten 12-13.
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Bilder auf dieser Seite: Peggy Choucair/Pixabay | Kai Nöthel | Tourismusverband Seenland Oder-Spree/Tibor Rostek