Entdecken-Schmökern Kurvenreiches Weltkulturerbe: Die Semmeringbahn

In Österreich schlängelt sich die Semmeringbahn durch die Alpen, die erste Eisenbahn überhaupt, die von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt wurde.

In Österreich schlängelt sich die Semmeringbahn durch die Alpen, die erste Eisenbahn über­haupt, die von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt wurde. Was macht die Bahn, die seit bald 170 Jahren in Betrieb ist, so besonders?

Lange war es eine mühsame Angelegenheit, vom niederösterreichischen Gloggnitz ins steirische Mürzzuschlag zu gelangen: Die Straßen über den Semmering, einen 984 Meter hohen Gebirgspass in den Alpen, waren so steil, dass man nur zu Fuß oder per Pferd durch das Gebirge kam. Pferdefuhrwerke mussten zusätzliche Tiere für die Steigungen anspannen, der Waren- und Personenverkehr wurde dadurch teuer und langwierig. Für normalspurige Adhäsionsbahnen, deren Antrieb allein über die Haftreibung der Räder erfolgt, waren derartige Steigungen unüberwindbar. 

Dennoch gelang dem Ingenieur Carl von Ghega die Planung der Strecke für die Semmeringbahn, indem er die Steigung durch zahlreiche Brücken und teils mehrstöckige Viadukte über Täler oder Tunnel durch Berge so abfing, dass auf einen Antrieb mit Zahnrädern oder Seilwinden verzichtet werden konnte. Dadurch wurde die Strecke von 21 Kilometern Luftlinie auf 42 Kilometer Schienen verteilt und doch waren damalige Lokomotiven mit der Steigung überfordert. Parallel zum Bau der Strecke sorgte daher ein Wettbewerb dafür, dass neue, stärkere Lokomotiven entwickelt wurden, die mit den Anforderungen der Steigung besser zurechtkamen. Mit Erfolg: 1854 wurde die Semmeringbahn als erste normalspurige Adhäsionsbahn Europas fertiggestellt und ist seither durchgängig in Betrieb. 


Die Fahrt entlang der schroffen Felswände und über die weiten Bögen der steinernen Viadukte ist damals wie heute spektakulär. Dadurch, dass solche Gebiete großer natürlicher Schönheit auch für die gehobene Wiener Gesellschaft bequem per Bahn zugänglich wurden, wurde der Tourismus Mitte des 19. Jahrhunderts entlang des Semmerings angekurbelt – was auch heute noch die Parkanlagen, Flaniermeilen und Bauten des Fin de Siècle entlang der Strecke bezeugen. 

Der revolutionäre Ansatz der technischen Umsetzung einerseits und der landschaftsprägende Charakter der Bauwerke beziehungsweise die Erschließung der Landschaft andererseits sorgten dafür, dass zwei der zehn Kriterien für eine Aufnahme in das UNESCO-Weltkulturerbe erfüllt sind. Die Semmeringbahn wurde 1998 als erste Hochgebirgseisenbahn der Welt in die Liste der UNESCO aufgenommen. Sie gilt demnach als besonders schützenswert und als Meilenstein der menschlichen Kulturgeschichte. 

Als Teil der Südstrecke, die Wien mit den Landeshauptstädten Klagenfurt und Graz verbindet, ist sie allerdings eine wichtige Verkehrsachse und alles andere als museal. Die historische Bahnstrecke entspricht jedoch nicht den Parametern heutiger Hochleistungsstrecken: Die Kurvenradien sind relativ eng, dadurch sind die Fliehkräfte auf die Gleise und entsprechend deren Abnutzung hoch, Züge moderner Bauart können die möglichen Geschwindigkeiten nicht ausfahren und das Verkehrsaufkommen ist um ein Vielfaches größer als noch vor 170 Jahren. 

Um die Bahn zu entlasten und die Abläufe im regulären Bahnbetrieb zu beschleunigen, befindet sich seit 2012 der Semmering-Basistunnel im Bau. Er soll 2030 fertiggestellt sein und dann durch Höchstgeschwindigkeiten von 230 km/h im Personenverkehr für kürzere Fahrzeiten und zugleich für einen durchgängigen Güterverkehr mit hoher Nutzlast sorgen. Im internationalen Vergleich wird die Strecke so wirtschaftlich attraktiver. 

Ästhetisch und historisch attraktiver wird aber wohl die historische Bergstrecke der Semmeringbahn bleiben. 


Text: Anna Büsching | Foto: iStockphoto / mdworschak