Entdecken-Schmökern RB60 Heimathelden: Auf einen Kaffee in Bad Freienwalde: Sabine Baarsch vom Verein VFBQ

Seit zwei Jahren leitet sie den „Verein zur Förderung von Beschäftigung und Qualifizierung in Bad Freienwalde (VFBQ)...

In Eberswalde stieg ich in die kleine RB60 mit den großen Panoramafenstern. Während der Fahrt rauschte der Himmel endlos, wie auf einer Kinoleinwand, vorüber. Zuvor war ich noch genervt, weil auf meinem Weg aus Berlin zwei S-Bahnen 
ausfielen, Menschen ihrem Ärger auf den vollen Bahnsteigen Luft machten und ich fast meinen Anschluss verpasste. Aber mit jedem Meter, den ich mich entfernte, wurden die Gedanken ruhiger und als ich am Bahnhof in Bad Freienwalde ausstieg, schien die Sonne warm auf mein Gesicht und ich war randvoll mit Bildern von Feldern, Zugvögeln am Himmel und weidenden Bisons in herbstgoldenem Licht. Ich brauchte nur noch einige Hundert Schritte rüber bis zur Wasserstraße, vorbei an der Alten Oder und über einen Pfad durch einen liebevoll bepflanzten Park, an dessen Spitze das Vereinshaus des VFBQ liegt. Hier war ich mit Sabine verabredet. Wir tranken schwarzen Kaffee auf der Holzbank vorm Haus. Sie saß mir gegenüber mit 
Zopf und Jeans. Ihr Lächeln wirkte echt und ein paar Birkensamen hatten sich in einer ihrer Haarsträhnen verfangen. Seit zwei Jahren leitet sie den „Verein zur Förderung von Beschäftigung und Qualifizierung in Bad Freienwalde (VFBQ)“. Dass sie einmal die Stelle ihrer Mutter übernehmen würde, war eigentlich nicht der Plan, erzählte sie. 
Vor über 30 Jahren hatte ihre Mutter, Dr. Irmgard Roth, gemeinsam mit Mitstreitenden den Verein gegründet, als nach der Wende ihr langjähriger Arbeitgeber, das Schamotte-Werk, abgewickelt wurde und viele Menschen ihre Jobs verloren.


Durch den Verein wurden etliche davon in Weiterbildungen und ABM-Maßnahmen aufgefangen, auch in neue Jobs vermittelt. Viel Zeit hatte die Mutter hier verbracht, nahm manchmal ihre kleine Tochter Sabine mit, wenn noch Arbeit fürs Wochenende liegen geblieben war.

Das Denken in sozialen Strukturen hatte Sabine so schon früh mitbekommen und doch lief es bei ihr nicht an ders als bei anderen Aufwachsenden 
auch: Die wollen ihren eigenen Weg finden. Sabine führte er zum Studium nach Berlin: Reha-Pädagogik. Später wollte sie Aufklärungsarbeit betreiben oder eine spezielle Betreuungsstelle eröffnen, motiviert durch persönliche Erfahrungen. Zwei ihrer Kinder leben mit Behinderungen. Wie hilfreich dieses Wissen auch im VFBQ sein könnte, wurde klar, als sie ihre erste Gruppe über 50-jähriger Langzeitarbeitsloser, zum Teil depressiver Menschen, betreute.

 
Zwölf Jahre ist das jetzt her und einige kommen heute noch vorbei oder engagieren sich inzwischen selbst im Verein. 

Als Sabine sich entschloss, sich für die Vereinsleitung zu bewerben, studierte sie noch mal Sozialmanagement. Ein Pluspunkt für die offizielle Stellenausschreibung, in der sie sich – Tochter hin oder her – unter fünf Mitbewerbenden durchsetzen musste. 

Inzwischen als Leiterin setzt sie auf eine Neuausrichtung des VFBQ. Das B im Vereinsnamen steht heute für Bildung, sagt Sabine. – Unterstützung bietet man bei Integration und der Jobeingliederung an Schulen für Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Problemen. Da braucht es den genauen Blick, um beispielsweise eine versteckte Lernschwäche zu erkennen, die jahrelang wie eine angezogene Handbremse funktionierte und bei der eine pädagogische Einstiegshilfe Erstaunliches leisten kann. Teamgeist, Angstabbau und Selbstvertrauen vermittelt das Pädagogen-Team des Vereins in praktischen Aufgaben. Etwas, das in Zeiten von Social Media und zerbröselndem gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht mehr selbstverständlich ist. Zudem gibt es am Bahnhof die Selbsthilfekontaktstelle. Hier treffen sich Menschen mit Krebserkrankungen, Multipler 
Sklerose oder Alleinerziehende zum Austauschen und Netzwerken. Auch ein Hostelbetrieb und eine Kantine gehören zum Verein und immer noch werden geförderte Jobs wie einfache Handwerks- und Gartenarbeiten vermittelt. Neu ist der kleine Kaffee- Kiosk vor dem Gebäude. Der hat immer mittwochs geöffnet: „Da können die Bad Freienwalder ruhig mal vorbeikommen!“, sagt Sabine und schaut auf die Uhr: Gleich ist es halb fünf. Jetzt gibt es noch was zu tun.

Sabine Baarsch hat Reha-Pädagogik und Sozialmanagement studiert und ist seit 2021 Geschäftsführerin und Pädagogin beim gemeinnützigen Verein VFBQ. Mit ihrer Familie lebt sie in Bad Freienwalde. 
www.vfbq.de

Jackie A. ist Kolumnistin für das Magazin tip berlin. Für die NEB fährt sie durch Ostbrandenburg und trifft Menschen, die Besonderes für unsere Region schaffen.

 


Text und Redaktion: Jackie A., NEB | Fotos auf dieser Seite: Jackie A.