Entdecken-Schmökern RB12 Heimathelden: Kino unterm Sternenhimmel und Kunst als Gesellschaftskitt

Als Kathrin zurück nach Temp­lin kam, hatte sie Teile der Welt bereist, in Frankreich studiert, in den USA und Rostock und einige Jahre in Berlin gelebt.

Sie mochte das quirlige Straßenleben der Hauptstadt, ging in ihrer Arbeit als Journalistin voll auf. Und doch, wenn der Trubel mal nach­ließ, hatte sie Templin auch vermisst. In diesem wasserreichen Luftkurort, in dem das tägliche In-­den-See­-Springen Volkssport ist, wuchs sie auf einem Bauernhof auf. Das Leben, so nah an der Natur und auch mit den Menschen, hat sie geprägt. Auch deren Verbind­lichkeit, die ihr näher liegt als die Anonymität einer Großstadt. Und als für das Kulturhaus MKC, dem Multi­kulturellen Centrum Templin, nach einer neuen Programmleitung und Geschäfts­führung gesucht wurde, bewarb sich Kathrin spontan, bekam die Stelle und kehrte zurück in die Heimat. 

23 Jahre ist das jetzt her. Im Foyer sitzt sie mir am Tisch gegenüber, um uns herum sind Skulpturen des Lychener Künstlers Robert Günther ausgestellt. Zwei Kinder hüpfen vor seinen spie­gelnden Objekten, quietschen vor Vergnügen. Kathrin trägt ein buntes Tuch um die Schultern und ein kaum merkliches Lächeln auf den Lippen. Sie strahlt so eine innere Ruhe aus, denke ich. Dabei laufen die Vorbereitungen für das 30-­jährige Jubiläum des Hauses auf Hochtouren. Gleich beginnt im historischen Kinosaal eine Kindervor­stellung, heute Abend dann rollt das mobile Kino aus. Jeden Sommer wer­den so große Filme in kleine Dörfer und an besondere Orte wie die Klosterruine in Boitzenburg gebracht. Gerade erst wieder wurde die Programmauswahl vom Medienboard Berlin­-Brandenburg ausgezeichnet. – Klar, dass Kathrin da ein bisschen stolz ist. Dazu kommen die Veranstaltungen auf der Bühne, Kabarett, Jazz­-Konzerte und Festivals wie die „Wasserspiele“. Für Letztere kennt man das MKC auch über die Stadtgrenzen hinaus. 

Dabei sind mir aus Templin noch ganz andere Schlagzeilen im Kopf hängen geblieben: ein brutaler Übergriff von Rechtsextremen, bei denen ein Mann erschlagen wurde. 15 Jahre ist das jetzt her. Die Täter sind verurteilt. Das Gedankengut und der Hass sind damit längst nicht aus der Welt.

Ich bin gespannt, wie Kathrin als Chefin eines Hauses, das „Toleranz“ sogar im Namen trägt, damit umgeht. Sie er­klärt mir, das MKC sei ein Ort, der für alle da ist, dass vermutlich auch AfD­-Anhänger das Programm nutzen. Wie schwierig das sein muss, wird klar, wenn man weiß, dass die AfD per Antrag in der Stadtverordnetenversammlung versuchte, dem gemeinnützigen Ver­ein die Fördermittel streichen zu lassen. Klare Bekenntnisse, sagt sie, sind not­wendiger denn je. Ein Weg dabei ist es, die besagten Werte der Toleranz und Weltoffenheit, die Anfang der 1990er von Mitgliedern in den Namen gesetzt wurden, nachträglich auch explizit in der Vereinssatzung zu verankern.

Fast beiläufig erfahre ich, dass Bran­denburg mit über 30 Prozent den höchsten Anteil an Frauen in Führungs­positionen hat. Kathrin erzählt, wie sie bei ihrer Arbeit jede Menge Unter­stützung auch von den männlichen Kollegen erlebe, von Machotum keine Spur. Ich erinnere mich an mein ers­tes Interview in Templin mit Autorin Annemarie Giegler, die früher Chefin eines Kohlebetriebs war. Sie beschrieb Ähnliches. – Dass sie, damals als ein­zige Frau, hervorragend klar kam mit ihren männlichen Mitarbeitern. Im Osten arbeiteten Frauen nicht selten als Mechanikerinnen, LPG­ und Werks­leiterinnen, reparierten Motoren oder Flugzeughydraulik. – „Ob es deshalb so gut klappt mit der Frauenquote?“, spekuliere ich laut. „Die Ost­Männer sind zumindest daran gewöhnt“, ant­wortet Kathrin lachend. 

Ich frage mich, ob Kathrins unauf­geregte Art zu einer geheimen Super­kraft taugt. Ich kann mir vorstellen, dass man mit ihr auch über kompli­zierte und hochemotionale Themen reden kann, ohne das Gefühl zu be­kommen, gleich an die Decke gehen zu müssen. – Vielleicht genau die rich­tige Eigenschaft in einer Zeit, in der Fronten verhärten und gesellschaft­licher Zusammenhalt bröckelt.

Als Motto für die Jubiläumsausstellung im August „Dreißig Jahre – dreißig Künstler“ hat Kathrin das Thema „Gemeinschaft“ gewählt. – Etwas, das man nicht nur in Templin gut gebrauchen kann dieser Tage. 

 

Kathrin Bohm-Berg wurde 1969 in Templin geboren. Sie hat Geschichte und Germanistik studiert, arbeitete als freie Journalistin u. a. beim Deutschlandradio und leitet seit 2000 das MKC in Templin. Mindestens einmal am Tag springt sie in den Templiner See.

 

Jackie A. ist Kolumnistin für das Magazin tip berlin. Für die NEB fährt sie durch Ostbrandenburg und trifft Menschen, die Besonderes für unsere Region schaffen.

 


Text und Redaktion: Jackie A., NEB | Fotos auf dieser Seite: Jackie A.