Entdecken-Schmökern RB27 Heimathelden: Minimützen für Minimenschen: Wie Maria Eltern von Frühgeborenen Mut macht
Halligalli bei Maria vorm Haus in Trebnitz: Die Hunde flippen vor Freude aus, der Sohn fällt der Länge nach auf den Rasen, bevor es zum Inlineskaten geht, und die Tochter macht freundlicherweise Fotos von uns, weil ich zu Hause mein Stativ vergaß. Über uns dehnt sich der Himmel endlos, der Wind wirbelt Haarsträhnen in Marias Gesicht. Sie trägt Pferdeschwanz und Stulpen, strahlt diese pragmatische Souveränität aus, wie sie Mütter besitzen, die permanent zwischen Haushalt, Job und Kinderbetreuung jonglieren. Außerdem hat sie „Sternenzauber und Frühchenwunder e. V.“ mitbegründet, einen gemeinnützigen Verein, dessen Helferinnen sich vor Jahren in einer Facebook-Gruppe fanden und seither mit Selbstgenähtem oder Gestricktem Frühgeborene und deren Angehörige unterstützen.
Wie aufwändig das sein muss, wird klar, als ich Marias Arbeitszimmer betrete, die Nähmaschine neben dem Rechner sehe und an der gesamten Wand entlang Schränke, befüllt mit bunten Stoffen. 2.000 Helferinnen sind sie im Verein, erzählt Maria, die 450 Kliniken mit Kleidung und Geschenken versorgen. Dabei werden die Kleidungsstücke bis ins Detail auf die Bedürfnisse der Frühgeborenen angepasst. Oft sind es persönliche Erfahrungen, die die Helferinnen anspornen. Sie wissen, was es bedeuten kann, wenn Eltern zum ersten Mal ihren Nachwuchs im Inkubator in einem Strampler sehen. Das sind für die Mütter und Väter, aber auch für die Mitarbeiterinnen auf den Stationen, oft sehr berührende und mutmachende Momente. Was mir nicht klar war: Kleidung für Kinder unter 500 Gramm gibt es nicht im Handel zu kaufen.
Dabei ist die medizinische Versorgung auf den Stationen besser denn je. Selbst bei stark unterentwickelten Frühgeborenen können Erfolge vermeldet werden, die fast schon an Wunder grenzen. Eine Wahrheit ist aber auch, dass es trotz des medizinischen Fortschritts immer wieder Kinder gibt, die nicht überleben, die zu Sternenkindern werden, wie sie beim Verein liebevoll genannt werden. Der Tod, gerade in so frühem Stadium, ist ein Tabuthema. Ab wie viel Gramm gilt ein Mensch als Mensch? Für die Eltern im Verein ist klar, jedes noch so winzige Kind ist liebenswert und hat ein Recht darauf, betrauert zu werden. Dazu gehört auch ein würdevoller Abschied. Bei der Trauerarbeit hilft der Verein den Eltern und deren Kindern. Denn auch sie trauern um ihr oft sehnsüchtig erwartetes Geschwisterchen.
In der Familie von Maria gibt es Ärztinnen und Bürgermeisterinnen. Sie selbst war stellvertretende Bürgermeisterin. Mitdenken und Organisieren sind also Standard im Maria-Alltag. Da passt es ins Bild, dass sie mich gleich einpackt auf ihre Tour zum Krankenhaus nach Eberswalde, um Geschenke für die Frühchen abzugeben. Als wir ankommen, nimmt uns Schwester Jana in Empfang. Maria übergibt ihr Tüten mit Decken, Mützen und Stramplern. Angeregt tauschen sie sich aus: Was wird noch gebraucht? Was kam gut an? Zum ersten Mal stehe ich vor einem Inkubator, sehe einen winzigen Menschen mit Sauerstoffzugang an der Nase. „So klein wie sie sind, sind sie auch Kämpfer“, sagt Schwester Jana aufmunternd, kontrolliert dabei Anzeigen am Gerät. Noch eine Woche vielleicht, dann können die Eltern ihr Kind mit nach Hause nehmen. Dann macht sich bald auch Maria wieder auf den Weg in eine Brandenburger Klinik mit kleinen Geschenken im Gepäck.
Maria Buch ist Mitinitiatorin des gemeinnützigen Vereins „Sternenzauber und Frühchenwunder e. V.“ und betreut die Versorgung von Krankenhäusern in Ostbrandenburg. Sie ist Führungskraft im öffentlichen Dienst und lebt mit Kindern, Ehemann und Hunden in Trebnitz. www.sternenzauber-fruehchenwunder.de | Facebook: Sternenzauber & Frühchenwunder e. V.
Jackie A. ist Kolumnistin für das Magazin tip berlin. Für die NEB fährt sie durch Ostbrandenburg und trifft Menschen, die Besonderes für unsere Region schaffen.
Text und Redaktion: Jackie A., NEB | Fotos auf dieser Seite: Jackie A.