Entdecken-Schmökern RB27 Heimathelden: Neustart im Dorf mit Champagner-Roggen-Brot

Mitten in der Pandemie wagte er den Neuanfang, machte sich selbstständig mit einer handwerklichen Bio-Bäckerei in seinem Dorf. Jackie A. trifft Tobias Trinkl.

Auf dem Schulhof hatte ich meine Stullen meist eingetauscht gegen Abziehbilder, Kaugummis oder einen „Fetzer“. Ich mochte Brot nie besonders – bis zu jenem verregneten Abend in den großen Ferien. Erledigt saßen wir nach einer Wanderung in der Küche. Die Gastgeberin schnitt einen Laib auf. Ich weiß noch, wie der ganze Raum plötzlich duftete. Und wie es schmeckte. Es kam mir vor, als wäre es die erste Stulle meines Lebens gewesen, und mir wurde klar, dass Brot nicht gleich Brot ist.

Knapp 30 Jahre später sitze ich in Schönwalde an der RB27 bei Tobias Trinkl, der völlig anders ist, als ich mir einen Bäcker vorgestellt hatte. Der Betreiber des „Backwarium“ ist studierter Historiker, fuhr auch mal Taxi in Berlin, und hat jahrelang für einen Verlag gearbeitet. 2021, mitten in der Pandemie, wagte er den Neuanfang, machte sich selbstständig mit einer handwerklichen Bio-Bäckerei in seinem Dorf. Was ganz schön mutig ist – aber auch durchdacht.

Denn Tobias Trinkl beschäftigt sich seit über zwölf Jahren mit Brot, dass er, wie er erzählt, leidenschaftlich gern isst, aber irgendwann nicht mehr gut vertrug. Er fing an, zu Hause zu backen, setzte selbst Sauerteig an. Es brauchte noch etwas, bis er mit 52 Jahren als offiziell geprüfter Bäcker in seinem eigenen Geschäft stand. Als ich frage, ob er sich seinen neuen Lebensabschnitt so vorgestellt hat, sagt er: „Alle Vorstellungen, die ich mir vorher gemacht hatte, waren falsch – alle! Aber es funktioniert gut.“

Tobias hat wache Augen, ist ein agiler Typ, und ich frage mich, ob das am Sauerteigbrot liegt, das er vermutlich häufiger verzehrt. Das fermentierte Lebensmittel soll gesundheitsfördernd sein. Zudem wird gerade mit Champagner-Roggen gebacken, einer alten, widerstandsfähigeren Sorte, die nicht so ertragreich ist, aber gut auf Wandlitzer Böden gedeiht, weniger Wasser und Dünger braucht.

Er erzählt, wie die Bäckerei auch zum Kommunikationsknoten wurde. Da werden von der Kundschaft Schlüssel hinterlegt, Geschäftsideen zusammengebracht, Hobbys weitererzählt, oder Fotos vom gedeckten Abendbrottisch geschickt. Regelmäßiger Star auf dem Tisch: ein Brot von Tobias und seinen mittlerweile zwei Bäckergesellen. Schon in der Vorbereitung hat er Rückenwind erfahren. Einen Teil seiner Investitionen konnte er über Crowdfunding finanzieren. Er brauchte so keinen Bankkredit mehr aufzunehmen. Kolleginnen und Kollegen aus der Branche haben ihn vor den Risiken gewarnt, aber er sah auch Vorteile: „Ich konnte hier Dinge anders machen, musste keinen Familienbetrieb mit all den Erwartungen fortführen, konnte mein eigenes Bild malen.“ So gibt es im Backwarium eine kleinere Produktpalette, dafür regionale Spezialitäten, wie Splitterbrötchen, täglich wechselnde Brotsorten und Transparenz: Über die großen Glasfronten des Geschäfts kann man bei der Herstellung zuschauen und über einen eigenen Blog sowie regelmäßige Instagram- und Facebook-Updates Neues erfahren.

Zurück zu Hause schneide ich – endlich! – meine Beute, ein Roggenkrustenbrot, an. Wie es schmeckt? Nur so viel: Auf dem Schulhof hätte ich es nicht hergegeben.

 

Tobias Trinkl ist studierter Historiker und hat 2020 in Schönwalde eine handwerkliche Bio-Bäckerei gegründet. Inzwischen beliefert er auch den örtlichen Kindergarten. Hauptstr. 38 in 16348 Wandlitz, Anreise: RB27 bis Schönwalde (BAR). www.backwarium.de

Jackie A. ist Kolumnistin für das Magazin tip berlin. Für die NEB fährt sie durch Ostbrandenburg und trifft Menschen, die Besonderes für unsere Region schaffen.

 


Text und Redaktion: Jackie A., NEB | Fotos auf dieser Seite: Jackie A.