Entdecken-Schmökern Elektrische Dampflokomotiven – besonders rare „Tigerli“

Tigerli? Das waren einmal eigentümliche, elektrisch betriebene Dampfloks – Raritäten, von denen es weltweit nur zwei Exemplare gab.

Man kennt sie noch aus alten Filmen oder von Nostalgie-Sonderfahrten, die qualmenden Dampfloks, die mit Feuer betrieben werden. Das Feuer heizt das Wasser so weit, bis es verdampft und der Wasserdampf die Dampfmaschine antreibt, die wiederum die Räder in Gang setzt. Um überhaupt fahrtüchtig zu sein, müssen diese Loks lange und sorgsam angeheizt werden und dabei verschlingen sie Unmengen an Kohle.

Im Zweiten Weltkrieg kam es immer wieder zu Engpässen bei Kohlelieferungen, so entschloss man sich bei der Schweizerischen Bundesbahn (SBB) kurzerhand, das Wasser im Kessel durch elektrischen Strom zu heizen. Vereinfacht gesagt, funktionierte das in etwa so wie bei einem Tauchsieder. Zunächst sollten nur zwei Prototypen vom Typ „Tigerli“ mit Stromabnehmern, Umwälzpumpen, Transformatoren und Batteriespeichern aufgerüstet werden: Die Lok E 3 / 3 8521 wurde 1942 umgebaut, die zweite Lok E 3 / 3 8522 ein Jahr später. Sie absolvierten meist Rangiertätigkeiten unter der Fahrleitung, mussten teilweise aber auch Strecken ohne Oberleitung überwinden.

Dadurch, dass das Wasser direkt geheizt werden konnte, waren die Loks innerhalb einer Stunde betriebsbereit und es konnte die Zeit für das Anheizen vor Fahrtbeginn eingespart werden. Ohne weitere Stromzufuhr reichte der Dampf für circa 20 Minuten aus. Danach musste entweder wieder eine Fahrleitung angesteuert werden oder man nutzte ein Art Reserve-Feuer, das auf Sparflamme die Feuerbüchse beheizte und nur wenig Kohlen verbrauchte.

Der Umbau zur elektrischen Dampflok kostete damals stolze 100.000 Franken. Das Geld war aber gut investiert, denn nach nur drei Jahren hatte man es an Kohle wieder eingespart. Beide Loks fuhren circa zehn Jahre mit diesem Aufbau zur elektrischen Beheizung, danach wurden sie wieder zu normalen Dampfloks zurückgebaut. Das System konnte sich auf Dauer nicht durchsetzen, da mit dem Aufkommen der Dieselloks die Dampflokomotiven in den Hintergrund gedrängt wurden und schließlich meist ganz verschwanden.

Dieses Schicksal ereilte auch die Lok 8521, die im Jahre 1963 verschrottet wurde. Hingegen stampft die Lok 8522 mit ihren über hundert Jahren immer noch über die Gleise der Sursee-Triengen-Bahn – auch sie wieder als reine Dampflok. Dabei ist sie nicht nur für touristische Fahrten im Museumsbetrieb unterwegs: Im September 2021 hat man mit ihrer Hilfe circa 250 Tonnen Schotter auf den Gleisen eingebracht. Nicht unterzukriegen, dieses Tigerli!

 


Text: Anna Büsching | Foto: Georg Wilhelm Hecklau/Public domain/Wikimedia Commons