Entdecken-Schmökern Reif für die Inselbahn

Ahhh… diese würzig-salzige Luft, die zum tiefsten Ein- und Durchatmen verleitet, das Rufen der Möwen: Die Überfahrt auf dem Schiff ist geschafft, Festland, Auto und Alltag bleiben weit zurück… Jetzt fahren wir mit der Inselbahn!

Heute empfindet man Inselbahnen als wohltuend entschleunigend, wenn sie mit gemütlichen 20 – 30 km/h vom Schiffsanleger zum Ort fahren. Doch insbesondere an der deutschen Nordseeküste waren die Bahnen lange für den Inselalltag enorm wichtig – und sind es zum Teil immer noch. Inselbahnen, das sind meist eingleisige Schmalspurbahnen, die auf kleineren Inseln unterwegs sind. Sie fahren im Inselbetrieb, sind also in sich geschlossene Systeme und nicht mit dem Eisenbahnnetz des Festlandes verbunden. Anders als Vollbahnen, die keinen Einschränkungen in Bezug auf Achslasten und Geschwindigkeiten unterliegen, sind Inselbahnen eher auf der leichten und langsamen Seite. Das hat mit den Bedingungen der Inseln zu tun: Die Gleise müssen im losen Dünensand verlegt oder – wie auf Juist in der Nordsee – sogar auf Pfahljochstrecken im Watt gebaut werden.

Bei Pfahljochstrecken liegen die Gleise auf Stelzen. Sie überbrücken die Strecke zwischen Insel und Landungssteg, der von Schiffen mit entsprechendem Tiefgang noch erreicht werden kann. Bei Ebbe ist die Unterkonstruktion gut sichtbar, bei Flut aber scheint der Zug direkt durchs Wasser zu fahren. Die Überfahrt vom Schiffsanleger nach Juist mag wohl ein wenig unheimlich gewesen sein, immerhin war die Strecke über 600 Meter lang. Von dort gelangten Menschen, Baumaterialien und Gegenstände des täglichen Bedarfs bequem zum fast drei Kilometer entfernten Dorf. Die Pfahljochstrecke trotzte den Gezeiten, war bei Sturmflut oder Eis aber unpassierbar und nahm oft schweren Schaden. Darum entschloss man sich hier wie andernorts, einen inselnahen Hafen zu bauen, der auf Dauer kostensparender war und die Bahn überflüssig machte.

Viele weitere Schmalspurbahnen gaben um 1980 herum ihren Betrieb auf oder stellten auf einen rein touristischen Betrieb um. Auf anderen, meist autofreien Inseln wie Wangerooge hat sich zwar der Anleger verschoben, doch die Bedeutung der Schmalspurbahn als Transportmittel für Menschen und Güter ist gleichbleibend groß. Eine der berühmtesten und beliebtesten Inselbahnen ist die Spiekerooger Pferdebahn. Wie auf Juist wurde die Schmalspurbahn nach dem Bau eines neuen Hafens überflüssig und stellte 1981 ihren Betrieb ein.

Nach wechselvoller Geschichte fährt nun die Pferdebahn in der Hochsaison einen Teil der historischen Strecke im Museumsbetrieb. Sie ist eine der beiden letzten von Pferden gezogenen Eisenbahnen Deutschlands.

Eine andere Attraktion für Nostalgie Fans findet sich auf Rügen. Die größte Insel Deutschlands verfügt über ein Bahnnetz mit gleich drei verschiedenen Spurweiten: Die erste Bahn war natürlich eine Schmalspurbahn, die heute noch mit Dampfloks betrieben und liebevoll „Rasender Roland“ genannt wird. Die beiden anderen sind Vollbahnen und gehören daher streng genommen nicht zur Kategorie der Inselbahnen, aber sei’s drum: Die Normalspur dient dem regulären Zugverkehr und die Strecken mit der im Osten üblicheren Breitspur (1.520 mm Spurweite) sorgen im Fährhafen Sassnitz für eine unproblematische Fährverbindung zwischen Rügen und Litauen.

Eine besondere Bedeutung kommt der Bahn zu, die die Halligen Dagebüll, Oland und Langeneß verbindet. Sie gehört dem Land Schleswig-Holstein und ist ausschließlich für den Küstenschutz gemacht. Ansässige dürfen die Strecken zwar mit ihren eigenen Loren nutzen, dürfen aber keine Urlaubsreisenden mitnehmen, sonst droht der Entzug der Fahrerlaubnis. Ein Risiko, das sich nicht lohnt – dafür ist die Bahn viel zu praktisch!

 


Text: Anna Büsching | Foto: Pixabay/Barbara Dondrup