Entdecken-Schmökern Hang on for curve!

Sie ist aus dem Stadtbild San Franciscos nicht mehr wegzudenken, Touristenattraktion und National Historic Landmark – die erste und letzte Kabelstraßenbahn der Welt. Dabei hat sich am Prinzip in den letzten 150 Jahren nichts geändert: Ein endlos umlaufendes Drahtseil zieht die Wagen – ähnlich wie bei einer Seilbahn – den Berg hinauf, die Schwerkraft bringt sie wieder hinunter.

Das Seil befindet sich dabei allerdings in einem Schlitz mitten in der Straße zwischen den Schienen. Anders als bei Standseilbahnen, bei denen Bahn und Seil permanent verbunden sind, gebrauchen die Cable Cars nach Bedarf die Zugkraft des Seils: Zum Fahren hängen sie sich an, zum Stehen koppeln sie sich wieder ab. Dazu benötigt man eine Sperrklaue, die mit Hilfe eines großen Hebels, der sich inmitten des Wagens befindet, von Hand bedient wird. Im Ruhezustand läuft das Antriebsseil unterhalb der Sperr klaue, zum Fahren wird sie auf das Seil gesetzt und je fester man den Hebel anzieht, desto enger wird der Griff um das Seil. Zu diesem Steuerhebel gesellt sich noch ein zweiter Hebel, der die Schienenbremse auslöst: Dabei werden Holzklötze auf die Schienen gedrückt und bremsen den Wagen ab, manch mal so sehr, dass es durch die Reibung bei den steilen Strecken nach verkohltem Holz riecht. Als Drittes gibt es eine Fußbremse, die die Bremsbacken am vorderen Drehgestell auslöst.

All das wird von dem Gripman (seltener auch Gripwoman, denn es ist ein körperlich anstrengender Job) bedient. Zur Besatzung gehört neben dem Grip man auch der Bremser, der die hintere Radbremse per Handkurbel bedient und nebenbei die Fahrscheine kontrolliert. An den Endstationen wechseln Gripman und Bremser bei der California Street-Line die Positionen im Wagen; die Wagen der Powell-Street-Line sind Einrichtungsfahrzeuge und müssen am Terminal – per Hand auf der hölzernen Drehscheibe – gewendet werden.

Bergauf greift also der Gripman das Antriebsseil, das konstant mit ca. 15,3 km/h von einem zentralen Betriebshaus fortläuft. Die Bahn hält nur auf ebener Strecke, nach fast jedem Häuserblock, meist mitten auf der Kreuzung. Bergab lässt der Gripman hingegen das Seil wieder locker, so dass die Schwer kraft dafür sorgt, dass die Bahn nach unten fährt. Die historische Bauweise der Wagen erlaubt das Trittbrettfahren: Vor allem in den Kurven, wenn der Gripman die Sperrklaue löst und die Bahn nur noch driftet, mahnt er schon mal zum „Festhalten!“

Kein Wunder, dass eine Fahrt aufregend und bei Touristen beliebt ist: die Wartezeit für eine Fahrt beträgt manchmal mehrere Stunden. Wohl auch ein Grund, warum die Einheimischen die Bahnen so gut wie nicht mehr nutzen. Der geringe Nutzen für die lokale Bevölkerung, relativ hohe Betriebskosten, das Risiko im Straßenverkehr, das mit einem so altmodischen System verknüpft ist, lassen immer mal wieder Stimmen laut werden, die die Abschaffung der Cable Cars fordern.

Tatsächlich wurden nach dem großen Erdbeben von 1906 die meisten  Kabelstraßenbahnen stillschweigend durch elektrische Straßenbahnen ersetzt; nur auf den steilsten Strecken blieben die Cable Cars als einzig funktionierende Alternative übrig. Als aber 1947 der Bürgermeister San Franciscos Roger Lapham auch diese letzten Wagen durch Busse ersetzen wollte, hatte er nicht mit dem Wider stand von Friedel Klussmann gerechnet: Die resolute Dame formierte kurzerhand aus 27 Fraueninitiativen das „Citizens’ Committee to Save the Cable Cars“, das über ein Referendum mit großer Mehrheit für den Erhalt der schon damals historischen Bahn sorgte.

Doch nicht nur die hölzernen Wagen der Cable Cars sind als Blickfang historisch, auch ihre Geräuschkulisse ist es: Schließlich stimmen Bremser und Gripman die nächsten Handgriffe noch immer per Glockensignal ab. Das Gebimmel warnt aber auch andere Verkehrsteilnehmer vor den nahenden Wagen und ist teils so kunstvoll, dass es nach Percussion-Jazz-Solo klingt. Die Kunstfertigkeit des Geläuts kann bei der „Annual Bell Ringing Competition“ in einer zweiminütigen Performanz unter Beweis gestellt werden, bei der eine Jury den musikalischsten (oder doch originellsten) Fahrer zum Sieger kürt. Ein jährliches Highlight für die Angestellten und Fans dieser weltweit einmaligen Bahn.

 


Text: Anna Büsching | Foto: Pixabay/Reinhart Zehetbauer