Entdecken-Schmökern RB36 Heimathelden: Heuschnipselregen und Schwimmnudelattacken

Jackie A. fährt mit der NEB durch Ostbrandenburg und trifft Menschen, die Besonderes für unsere Region schaffen.

Karolin Ring und Jackie A. - Foto: Jackie A.

Orientierungslos am Bahnsteig Königs Wusterhausen. Ich frage einen Bahnmitarbeiter: „Welcher ist hier der Zug Richtung Beeskow?“ – „Dit is der kleene Blaue – könnse nich verwechseln.“ Wenig später freue ich
mich inmitten einer Handvoll Fahrgäste über vorbeifliegende Wolkenmassive, endlose Maisfelder in Quietschgrün und das Blau des Himmels, das durch die riesigen Panoramafenster das Abteil der RB36 flutet. An beinahe jeder Station bekomme ich Lust, auszusteigen und pfeifend in die Natur zu spazieren, aber jetzt gehts erstmal nach Beeskow. Dort ist heute Piratenfest, zu dem mich unsere Heimatheldin Karolin Ring einlud. Im Beeskower Flussbad finde ich mich in einem Heuhaufen wieder. Am Ufer unterhält ein Pirat mit Augenklappe und Mikrofon die Zuschauenden und Karolin Ring versucht, mir ein Interview zu geben, während um uns herum Kinder wuseln, die bei der von ihr betreuten Schatzsuche nach Gummibärchen suchen. Auf Eskalation brauche ich nicht lange zu warten: Bald fliegen die Büschel durch die Luft und ein
Stimmchen jammert: „Bonnie muss pullern!“ Karolin ruft: „Achtung!“ und ich entgehe nur knapp der Attacke eines Fünfjährigen mit einer Schwimmnudel von hinten. Immer wieder probiere ich, den Gesprächsfaden fürs Interview aufzunehmen – stattdessen Konzentrationslöcher im Heuschnipselregen.

Dabei ist es ganz und gar unmöglich, sich nicht über diese glucksende Übermütigkeit zu freuen. Wie lange haben die Kids auf solche Momente warten müssen? Kinder, für die ein Jahr eine ganze Ewigkeit bedeutet, mussten im Lockdown auf so vieles verzichten, das für ihre Entwicklung elementar ist und nun schleunigst nachgeholt werden muss. Also meinetwegen, denk’ ich, lasst die Schwimmnudeln krachen!

Ausgerechnet im Pandemiejahr hat sich Beeskow um den Titel „Kinderfreundliche Kommune“ beworben und ist damit einer von 38 Orten, die sich an der Initiative von UNICEF und dem Deutschen Kinderhilfswerk e. V. beteiligen. Karolin Ring als Kinder- und Jugendkoordinatorin schmeißt hierzu nicht nur einen eigenen YouTube-Kanal, sie veranstaltet Spray-Aktionen zum Weltspieltag oder lädt zu „Pizza & Politik“. Bei den Tref-
fen werden Kinder mit der Arbeit der Kommune vertraut gemacht und praktisch einbezogen. Erstes Ergebnis ist ein neuer Sandkasten auf dem Marktplatz. Die Perspektive der Beeskower Minis soll zukünftig stärker in die Stadt einfließen. Es geht aber auch um Grundsätzliches wie Kinderrechte. Karolin gibt den Kindern Flyer mit nach Hause, auf denen sie nachgelesen werden können: „Gib den mal bitte Mutti, okay?“ Gerade wollte sie mir etwas dazu erklären, versichert nun aber einem skeptischen Jungen, dass da auch wirklich ganz unten im Heu Gummibärchen versteckt sind.

In einer der raren ruhigen Sekunden sagt sie: „Ich will die Kinder stark machen.“ Und ich nehme ihr das sofort ab. Schließlich ist sie selbst Mutter zweier Kinder und der eigene Nachwuchs soll, wie alle andern Kinder in Beeskow auch, unter Top-Bedingungen aufwachsen. Zum Schluss klärt sie noch auf, dass die eigentliche „Heimatheldin“ Rosemarie Jurisch heißt. Jene Frau, die durch ihren Einsatz das Projekt überhaupt erst ins Rollen brachte. Und das habe ich auf meinen Reisen für die NEB längst gelernt: Wo eine Heimatheldin ist, sind die anderen nicht weit – und hier in Beeskow läuft’s!

Auf der Rückfahrt frage ich mich, warum mein Dorf nicht auch im Verein der Kinderfreundlichen Kommunen ist und wen ich nerven müsste, damit auch bei uns etwas ins Rollen kommt. Und falls Sie sich jetzt ähnliche Fragen stellen: Unter diesem Link unten finden Sie Informationen, wie es klappen könnte.

 

Karolin Ring ist Kinder- und Jugendkoordinatorin für den Verein Kinderfreundliche Kommunen e. V. in Beeskow. Vor drei Jahren kehrte sie aus Berlin zurück in ihre alte Heimat. Hier baut die Journalistin zusammen
mit ihrer Ehefrau und der Unterstützung der Mutter einen alten Bauernhof aus und beendet in diesem Jahr ihre Ausbildung zum Coach für Positive Psychologie. | Mehr Infos unter www.kinderfreundliche-kommunen.de

Jackie A. ist Kolumnistin für das Magazin tip berlin. Für die NEB fährt sie durch Ostbrandenburg und trifft Menschen, die Besonderes für unsere Region schaffen.