Entdecken-Schmökern RB36 Heimathelden: Empathie-Luxusmodelle, Hunde in Strickjacken und ein Wessi im Trabbi

Jackie A. fährt mit der NEB durch Ostbrandenburg und trifft Menschen, die Besonderes für unsere Region schaffen.

Heimathelden: Helfende Hände Storkow e. V. Foto © Jackie A.

Letzte Woche bin ich nach Storkow zu diesem Verein „Helfende Hände Storkow e.V.“ gefahren. Düstere Wolken hingen am Himmel und meine Stimmung war echt nicht so dolle. Ganz anders  im Laden-Café auf der altehrwürdigen Ernst-Thälmann-Straße – es fühlte sich von der ersten Sekunde gut an! Am Boden wuselte ein Hund in Strickpullover, Teller klapperten leise, ein heiseres Lachen schepperte im Hintergrund. Es war, als gehörte ich schon immer dazu: emotional aufgehoben, wie in einem Federbett im Winter.

Bei den „Helfenden Händen“ gibt es um die 15 Vereinsmitglieder, ein paar davon halten den Notbetrieb am Laufen. Offenbar macht das Leben im Durchhalte-Modus selbst einem ganzen Nest voller Heimathelden, wie hier in Storkow, zu schaffen. Denn dass ich hier sein konnte, dass es diese Anlaufstelle für Bedürftige – also all jene ohne Geld, die Einsamen oder psychisch Angeschlagenen –, dass es diesen existenziell wichtigen Ort überhaupt noch gibt, ist reines Glück. Drei Monatsmieten waren sie im Rückstand; wichtige Einnahmequellen wie der Café-Betrieb oder der Flohmarkt waren zuletzt weggefallen. Thomas, ein Berufspendler aus Zwickau, sprang mit der rettenden Spende ein, aber das Problem bleibt, solange mit dem Lockdown gelebt werden muss.

Und Bedürftige werden in der Krise nicht weniger, sondern eher mehr. So wird hier Basisarbeit geleistet, mit kostenlosem Mittagstisch, Hilfe bei Behördengängen oder als Anti-Einsamkeits-Team bei einer Runde Mensch-ärgere-dich-nicht. Und als ob man nicht schon genug zu tun hätte, wird nun auch noch die deprimierte NEB-Kolumnistin betreut, der es ja nun wirklich an nichts fehlen sollte! Die Wahrheit ist: Jeder von uns ist auf die eine oder andere Art mittlerweile durch, und hier traf ich auf ein paar echte Empathie-Luxusmodelle – ohne Kohle, aber mit offenem Blick und mit Geschichten, wie sie nur die ganz bewegten Leben schreiben. Originale wie Jacqueline, die Frau, die das Essen zubereitete und fragte: „Kennst Du den Film „Ratatouille“ mit der kochenden Ratte? Genauso mache ich das auch. Alles nach Intuition!“ Oder den Vereinsvorsitzenden, den Ex-Berliner Jörg Pratsch, der sich nach dem Mauerfall für 30 Mark einen alten Trabant kaufte und damit die ostdeutschen Dörfer erkundete. Er hat es damals als Kompliment verstanden, dass viele der Ostdeutschen gar nicht glauben konnten, dass er ein „Wessi“ war. Er kannte das Leben ohne Geld, hatte selbst genug erlebt, um zu verstehen, wie es vielen hier ging. Er hat auch eine eigene Theorie dafür, wieso Rechtsextreme vermeintlich leichteres Spiel im Osten haben. Die Vorteile der Demokratie kamen hier nie zum Tragen, sagte er, im Gegenteil. Sie wurde für viele direkt negativ besetzt, denn gerade auf dem Land ging es Menschen plötzlich schlechter als zuvor. Sie verloren ihre Arbeit, auch den sozialen Zusammenhalt, der in den Ost-Kollektiven hochgehalten wurde. Immer wieder sagte er: „Leute, ihr habt es in der Hand. Ihr könnt euch umeinander kümmern, könnt füreinander da sein.“

Und genau das machen sie hier mit großer Selbstverständlichkeit und auf ziemlich humorvolle Art. Zudem schaffen sie das Kunststück, Bedürftige aus unterschiedlichen Schichten zusammenzubringen. Da trifft Arm auf Abgesichert, Alt auf Jung, mit Handicap oder ohne – frei nach dem Prinzip einer guten Party: je bunter die Gästemischung, umso besser der Abend.

In diesem Tagen ist hier allerdings niemandem nach Feiern zumute. Der Kassenwart des Vereins verstarb erst kürzlich an Covid-19. Die unverwüstliche Menschenfreundlichkeit ist geblieben, das schelmische Lächeln von Vereinsmitglied Michaela noch unter der Maske zu erahnen – und ich kann es kaum erwarten, bis das Café wieder eröffnet. Bis dahin wird es noch ein echter Existenzkampf für den Verein.

 

Helfende Hände ist ein gemeinnütziger Verein und Treffpunkt für sozial Schwache, initiiert von Jörg Pratsch.

Helfende Hände Storkow e.V.
Ernst-Thälmann-Straße 55
15859 Storkow (Mark)
Spendenkonto: Sparkasse Oder-Spree, IBAN: DE45 1705 5050 1101 4822 10, BIC: WELADED1LOS

 

Jackie A. ist Kolumnistin für das  Magazin tip berlin. Für die NEB fährt sie durch Ostbrandenburg und trifft Menschen, die Besonderes für unsere Region schaffen.

Dieser Artikel stammt aus unserem Fahrgastmagazin NEB-Express. Klicken Sie hier zum Download der aktuellen Ausgabe.