Entdecken-Schmökern Heimathelden: Kleiner Laden - Grosse Wirkung

Wie Brigitte Jährling den Weltladen nach Wandlitz brachte.

Am Mittag ist noch viel Platz in der RB27 und ein völlig aufgedrehter Terrier-Mischling unterhält den halben Zug, sucht sein Bällchen oder fordert Streicheleinheiten von amüsierten Fahrgästen. In Wandlitz hält der Zug zweimal. Zuerst am „Bahnhof 
Wandlitz“, wo ich fast schon ausgestiegen wäre und mich der aufmerksame Fahrgastbetreuer im letzten Moment zurückrief, dann in „Wandlitzsee“. –Dort, wo ich mit Brigitte Jährling verabredet bin. Sie ist Gründerin des kleinen Weltladens, dessen Eingang direkt am Bahnhofsgebäude liegt. Drinnen schaut sich eine Kundin gerade die vielen Kaffeesorten im Regal an. Brigitte kommt auf mich zu und lächelt freundlich, schaut aber auch etwas gequält, als ich ihr eröffne, dass sie unsere Heimatheldin ist. Sie steht nicht gern im Mittelpunkt und vermutlich wäre es ihr lieber, wenn wir nur über den Weltladen sprächen. Denn allein schon das Konzept hinter den Läden, es gibt sie überall im Land, hat die ehemalige Lehrerin so begeistert, dass sie vor sieben Jahren, statt in Rente zu gehen, über 60-jährig, selbst noch mal einen Laden zusammen mit dem Träger, der Kirchengemeinde Wandlitz, ins Leben rief. Inzwischen arbeiten 14 Ehrenamtliche hier im Schichtbetrieb, darunter Kindergärtnerinnen, Juristinnen, Optiker und Mediengestalter.

Nicht alle sind in Rente, einige helfen hier neben ihren regulären Jobs. Aber wieso sind die Leute bereit, hier ohne Bezahlung zu arbeiten? Brigitte lacht: „Ich hätte mir auch nie gedacht, dass ich als Rentnerin einmal arbeite, ohne etwas zu  verdienen. Aber es geht um etwas anderes, darum, dem Leben einen Sinn zu geben. Und das tun wir hier.“ Sie erzählt, wie die Weltläden ursprünglich in den 1970er-Jahren aus einer kleinen Solidaritätsbewegung heraus entstanden sind, durch eine Generation, die noch geprägt war durch den Vietnamkrieg, die zeigen wollte, dass fairer Handel auf Augenhöhe möglich ist. 50 Jahre später gibt es über 800 Läden in ganz Deutschland und mit jedem verkauften Päckchen Kaffee, Schokolade, bunter Keramik, handgemachter Seife oder Kerzen wird bei Brigitte das Konzept eines gerechteren Welthandels praktisch umgesetzt, denn durch die Weltläden-Kooperationen erhalten benachteiligte Produzenten von der südlichen Halbkugel oft zum ersten Mal Zugang zum Exportmarkt mit gerechter Bezahlung und langfristigen Verträgen. Besonders die nachhaltigen, ökologischen Produktionen werden unterstützt. Dabei geht es nicht um gute Taten oder Spenden, erklärt Brigitte, sondern um einen fairen, respektvollen Umgang miteinander. Das ist eine Lebenseinstellung, die sich da durchzieht, die auch unter den Kolleginnen nicht aufhört: „Wir sind hier eine Mischung mit unterschiedlichen Prägungen, Berufen und Charakteren. Wir diskutieren und streiten auch über Politik. Aber wir schätzen und respektieren uns.“ Das Zusammenarbeiten für die sinnvolle Sache funktioniert hier regelrecht als Gesellschaftskitt. 

Mit Brigitte kann man sich gut unterhalten. Sie hat, wie so viele Ostdeutsche, spannende Brüche in ihrer Biografie: von der Lehrerin zur Leiterin eines Feriendorfs, geboren in Berlin, Heimat gefunden in Wandlitz. In diesem Jahr wurde Brigitte 70 Jahre alt und eine Goldene Hochzeit steht an. Daher abschließend ein Glückwunsch. Danke dafür, dass es dich und die Helfer und Helferinnen im Weltladen gibt! 

Brigitte Jährling arbeitete als Lehrerin für Mathematik und Physik in Berlin, hat zehn Jahre lang das Feriendorf Gross Väter See in der Schorfheide geleitet, ist im Wandlitzer Kirchenrat aktiv und hat den Weltladen im Bahnhof Wandlitzsee gegründet. www.weltladen-wandlitz.de

Jackie A. ist Kolumnistin für das Magazin tip berlin. Für die NEB fährt sie durch Ostbrandenburg und trifft Menschen, die Besonderes für unsere Region schaffen.


Text und Fotos: Jackie A.